...eine fast unglaubliche Geschichte - mit HAPPY END!

Montag, 23. Juni 2008

11.30. Mein Handy klingelt - eine mir unbekannte Handynummer. Ich nehme ab; es spricht Annelies Parpan, die Besitzerin von Haredale Minx: "Vreni, mit Minx stimmt etwas nicht. Er ist nicht mehr ansprechbar, er ist einfach zusammengeklappt; ich bin beim Tierarzt, Dr. Ardüser, Lenzerheide. Benno (ihr Ehemann) meinte, ich sollte dich anrufen und fragen, was es sein könnte. Ob du vielleicht in deiner Zucht schon einmal so etwas hattest?"

Ich spreche mit dem Tierarzt, der mir sagt, ihm würde es vorkommen, als würde der Hund ganz tief schlafen, fast wie in einer Narkose, aber die Besitzerin sei 100% überzeugt, dass Minx nichts gefressen habe. Er könne in seiner Praxis keine weiteren Abklärungen machen und würde den Hund nun in die Tierklinik in Chur überweisen.

Am späteren Nachmittag, nach meiner letzten Lektion, rufe ich Benno Parpan an. Er erklärt mir, dass er sehr wütend sei, weil er den Eindruck habe, die Tierärztin, Frau Dr. Moshfegh, würde seinen Minx nicht so behandeln, wie er es sich vorstellen würde. Ich rufe in der Klinik an, stelle mich als die Züchterin von Minx vor und spreche mit Frau Dr. Moshfegh.

Das Gespräch verläuft etwa so:

Dr. Moshfegh: "So wie es aussieht, hat der Hund einen Gehirnschlag erlitten. Eine Vergiftung können wir ausschliessen."
Ich: "Was wurde denn bisher untersucht?"
Dr. Moshfegh: "Nun, das Blut und das ist in Ordnung. Der Kreislauf eigentlich auch. Es kommt ganz klar vom Zentralnervensystem aus: entweder eine Läsion oder eben ein Gehirnschlag."
Ich: "Und was kann man da tun?"
Dr. Moshfegh: "Nicht viel, die Prognosen sind ganz schlecht. Er müsste schon bis spätestens morgen früh wieder aufwachen..."
Ich: "Aber man müsste doch zuerst mal mit Sicherheit abklären, ob es sich wirklich um einen Gehirnschlag handelt. Ohne eine genauere Untersuchung des Gehirns, kann man doch nicht einfach spekulieren, dass es sich um einen irreparablen Schaden am Gehirn handelt."
Dr. Moshfegh: "Klar kann man mehr untersuchen, wenn man das möchte; mit einem MRI, aber das ist sehr teuer..." (Tonfall: es lohnt sich nicht!)

Jetzt platzt mir endgültig der Kragen und ich herrsche die Frau Doktor an, dass es sich bei diesem Hund nicht um irgend einen daher gelaufenen Strassenköter handeln würde, dass ich als Züchterin sowie die Besitzer sicherlich wissen möchten, was mit Minx los ist - egal, was es koste. Sie solle gefälligst so rasch als möglich einen Termin für ein MRI ausmachen.

Dr. Moshfegh: "Naja, mit dem Tierspital Zürich habe ich bereits telefoniert. Die sind völlig überlastet. Sie können aber gerne morgen selbst im Tierspital Bern anrufen; vielleicht kriegen Sie dort ja einen Termin..."
Ich: "Was? Morgen früh?! Dann müssen wir vielleicht noch einmal einen halben Tag oder sogar noch einen ganzen Tag warten, bis wir mit Minx zum MRI können?"
Dr. Moshfegh: "Ja, dann eben - mehr kann ich nicht tun."
Ich: "Dann werde ich es halt organisieren."

Dr. Paul Kramers hat zum Glück eine ganz andere Einstellung zu diesem Notfall als die Tierärztin in Chur. Er versucht bei Dr. Steffen in Zürich einen Termin zu bekommen, aber leider ist da wirklich auch trotz guter Bekanntschaft nichts zu machen. Aber Paul gibt nicht auf und telefoniert mit Bern. Prof. J. Lang meint, es sollte möglich sein, am Dienstagmorgen einen Termin zu erhalten, aber die behandelnde Tierärztin müsste ihn in den nächsten 10 Minuten anrufen um den Termin fix zu machen.
Auch Dr. D. Fretz von der Tierklinik Rigiplatz in Cham ist sehr hilfsbereit, nur leider haben sie ihr MRI-Gerät noch nicht erhalten. Ab September ist dort ein Gerät verfügbar.

Ich rufe erneut in Chur an, und bitte darum, die Terminabsprache mit Bern nun nicht zu verpassen. Eine Stunde später rufe ich Benno an, ob Dr. Moshfegh nun einen Termin in Bern ausgemacht hätte. Ja, wenigstens hatte sie dies getan.

Um 9 Uhr soll Minx am Tierspital Bern sein, aber Dr. Moshfegh sagt, vor 7 Uhr könne niemand den Hund rausgeben. Konkret heisst dies, dass Annelies es nie und nimmer auf 9 Uhr ins Tierspital Bern schaffen wird. Dr. Moshfegh meint zu Annelies, sie könne ja von unterwegs ins Tierspital anrufen und denen sagen, dass sie etwas später eintreffen würde...

Dienstag, 24. Juni 2008

Ich habe eine schlaflose Nacht hinter mir: Was ist das für eine Krankheit, an der Minx leidet? Jemand hatte bereits von einem epileptiformen Anfall gesprochen. Epilepsie? Der allererste Anfall, und gleich mit totalem "Einschlafen"? Ohne jegliche Krämpfe? Im Alter von 4 Jahren ein erstes Auftreten? Ziemlich eigenartig! Minx war am Sonntag noch auf einer Wanderung gewesen (Parpans wohnen in Valbella, in den Bergen von Graubünden); er war fit und munter wie immer.

Nicht einen einzigen Tag in seinem bisherigen Leben hatte er auch nur die kleinsten Anzeichen von einer Krankheit gehabt - ausser heraus gerissenene Nägel, weil er derart gnadenlos durch alles hindurch rast...

Es ist 9 Uhr. Ich telefoniere mit Annelies: "Wie geht es Minx? Schläft er immer noch?" Annelies: "Ja, er ist immer noch im Tiefschlaf. Dr. Moshfegh meint, es würde ihm schlechter gehen als gestern Abend."

Wir machen einander Mut, dass man im Tierspital wohl eine Antwort auf diesen rätselhaften Zustand finden würde.

Etwas später kann ich mit der behandelnden Tierärztin am Tierspital reden. Frau Dr. Henke beruhigt mich: "Das ist nicht das erste Mal, das wir einen tief schlafenden Hund eingeliefert bekommen. Wir untersuchen erst mal alles, und sehen dann weiter."

Es ist mittlerweile 10.30Uhr und wir üben uns in Geduld. Ich versuche einige Schülerarbeiten zu korrigieren - kann mich jedoch kaum konzentrieren (habe dann in der Nacht auf Mittwoch eine Nachtschicht eingelegt; am Donnerstag ist Notenabgabe...).

Nach 13Uhr kommt Frau Dr. Henke. Sie scheint unbesorgt zu sein. Das Gehirn hat bei der Untersuchung sowohl auf Licht als auch auf Ton reagiert: es ist also nicht tot! Das MRI hat keine Auffälligkeiten gezeigt, d.h. Minx hat weder einen Gehirnschlag erlitten, noch hat er irgendeine Läsion... Aber auffällig ist, dass der Hund nur in Seitenlage selbst atmen kann, nicht aber, als er für das MRI in Sphinxstellung aufgerichtet werden musste. Man musste ihn intubieren und beatmen.

Fazit der neurologischen Untersuchung: der Hund muss ein Überdosis an Barbituraten oder Benzodiazepin-Präparaten (Schlafmittel) eingenommen haben. Um diese Vermutung zu erhärten, müsste man ein Drogenscreening einer Urinprobe machen, was leider am Tierspital Bern nicht möglich ist. Man müsste irgendwo ausserhalb ein Labor finden, welches den Nachweis erbringen könnte.

Nach einigen Telefonaten und zum Teil entsetzten Reaktionen von Humanlabors, finden Annelies und ich dann sogar in Bern selbst ein Labor, welches bereit ist, die Urinprobe von Minx zu untersuchen. Wir fahren gleich los und liefern die Probe eigenhändig ab. Herr Dr. Forster verspricht uns das Resultat in gut einer Stunde.

Um 17Uhr haben wir den Befund (Zitat aus dem Bericht):

"Unsere Drogenresultate sind auf die Urinkreatininkonzentration bezogen und damit weitgehend unabhängig von der aktuellen Flüssigkeitszufuhr. Bei den Barbituraten gelten beim Menschen Konzentrationen über 33.3µg/mmol Kreatinin als POSITIV im Sinnes eines Missbrauchs.

Die hier gemessene Barbituratkonzentration liegt über dem 50-fachen dieses Cutoffs."

Ich weiss nicht, ob ich lachen oder weinen soll, aber mich packt das bare Entsetzen, wenn ich daran denke, was Dr. Moshfegh impliziert hatte, als sie bei ihrer Diagnose eines Gehirnschlags darauf hingewiesen hatte, die Prognosen seien sehr schlecht, weitere Untersuchungen seien teuer, und Minx müsste bis spätestens Dienstagfrüh wieder aufwachen...

Ich weiss, dass Minx es packen wird, dass es ihm gut gehen wird, denn er liegt auf der Intensivstation des Tierspitals und wird rund um die Uhr betreut - und vor allem weiss man nun, was Minx' Problem ist und kann entsprechend handeln.

Währenddessen schläft Minx immer noch tief.

Mittwoch, 25. Juni 2008

Benno und Annelies dürfen um 10Uhr anrufen, um nachzufragen, wie es Minx geht.

Um 9Uhr erhalte ich folgende SMS: "juhui, dä Minx isch ufgwacht isch no a bits wacklig uf dä bei het aber scho a bits gfressa danke nomol vilmol gruess annelies."
(Juhui, Minx ist aufgewacht - er ist noch ein wenig wacklig auf den Beinen, hat aber schon ein wenig gefressen. Noch einmal vielen Dank. Gruss Annelies.)

Frau Dr. Henke hatte sie liebenswürdigerweise vor 10 Uhr angerufen, um ihnen mitzuteilen, dass Minx aufgewacht sei.

Donnerstag, 26. Juni 2008

Minx darf am Nachmittag nach Hause.

ENDE GUT - ALLES GUT!

Ich bin froh und überaus dankbar, dass Benno und Annelies mich angerufen haben, bevor voreilige und endgültige Entscheidungen getroffen wurden...

In anderen Fällen von Hunden aus meiner Zucht, hat man mich erst informiert, dass der Hund leider hätte eingeschläfert werden müssen... So zum Beispiel im Falle einer Schluckmuskellähmung, die gemäss Lehrbüchern nicht heilbar ist - der Riesenschnauzer meiner Schwester ist im Alter von 14 Jahre gestorben. Im Alter von nur 7 Jahren wollte man ihn wegen einer Schluckmuskellähmung einschläfern. Ein Jahr lang hat sie ihn nach dem Fressen aufgerichtet und er hat Hormone bekommen. Immer mal wieder hatte er kleinere Rückfälle, die jedoch schnell erkannt wurden - dann wurde er eine Weile wieder aufgerichtet und dann ging es wieder: 7 Jahre lang.

Ich möchte an dieser Stelle all den Tierärzten danken, die ich am Montagabend mit diesem Notfall kontaktiert habe und die mir so geduldig zugehört haben und versucht haben zu helfen.

Nachtrag:
Gestern, 10. Juli 2008, habe ich von Annelies und Benno ein Kärtchen erhalten; sie schreiben, dass Minx wieder der «Alte» sei!

Verena Ommerli Günsberg, den 6. Juli 2008